Athener Erklärung für Gesunde Städte

gestadt

Am 23. Juni 1998 feierten Bürgermeister und führende Politiker aus europäischen Städten mit der Internationalen Konferenz Gesunde Städte in Athen die ersten zehn Jahre der europäischen Gesunde-Städte-Bewegung und den Beginn der Phase III (1998-2002) des WHO-Projekts "Gesunde Städte" und verabschiedeten diese Erklärung.

Mit dieser politischen Erklärung bringen Städte aus ganz Europa ihr klares und starkes Engagement für die Gesundheit und ihre Verpflichtung auf eine nachhaltige Entwicklung zum Ausdruck. In der Erklärung werden die prioritäten und neuen Aufgaben unterstrichen, die von den Städten aufgegriffen und bearbeitet werden müssen. Zugleich wird gezeigt, wie Nationalregierungen und WHO auf kommunaler und städtischer Ebene auf die "Gesundheit für alle" gegründete Maßnahmen stützen können.

Präambel

Mit dieser Internationalen Gesunde-Städte-Konferenz, die ein Jahrzehnt des Handelns Gesunder Städte in Europa markiert, erneuern die europäische Kommunen vertretenden Teilnehmer ihre Verpflichtung, weiterhin für Gesundheit für alle und eine nachhaltige Entwicklung im einundzwanzigsten Jahrhundert zu handeln. Der kommunalen Selbstverwaltung kommt eine wesentliche Rolle zu, wenn die Ziele, die im Rahmen der Politik Gesundheit für alle zur Verbesserung der Gesundheit der Einwohner von Europas Kommunen aufgestellt wurden, erreicht werden sollen.

Als Bürgermeister oder führende politische Vertreter unserer Städte sind wir mit Vertretern der Weltgesundheitsorganisation an der Schwelle einer dritten Phase, die unsere Bürger in ein neues Jahrtausend geleiten wird, in Athen zusammengekommen. Wir sind der Überzeugung, daß zu allen nationalen oder teilnationalen Strategien oder Programm als wesentliches Element das Handeln auf örtlicher Eben gehört. Sektorübergreifende partnerschaften für Gesundheit lassen sich auf dieser Ebene leichter eingehen. Auch Mitsprache und Befähigung der Bürger zum selbstbestimmten Handeln sind hier eher möglich.

Unsere Städte bieten die beste Möglichkeit, Gesundheit und Lebensqualität in der Europäischen Region zu verbessern. Gemeinsam als Bürger handelnde Frauen, Kinder und Männer sind eine dynamische, Innovation und Wandel bewirkende Kraft. Wir sind der Überzeugung, daß wir, als Vertreter kommunaler Selbstverwaltungen, vorangehen und das politische Gewicht unseres demokratischen Mandats mit unserer einzigartigen Fachkompetenz verbinden sollten, um zukunftsbeständige gesundheits- und entwicklungspolitische Konzepte umzusetzen.

Wir versprechen, uns weiterhin engagiert dafür einzusetzen, daß die im Rahmen der regionalen und globalen politik Gesundheit für alle, auf dem Gipfel von Rio (Agenda 21), bei der Internationalen Bevölkerungs- und Entwicklungskonferenz und auf dem Gipfel von Beijing vereinbarten Empfehlungen auf örtlicher Ebene umgesetzt werden. Wir werden auch die örtliche Beteiligung an Initiativen wie dem von den Vereinten Nationen erklärten Internationalen Jahr der älteren Menschen sicherstellen.

Schlüsselprinzipien einer gesundheitlichen und nachhaltigen Entwicklung

Als Bürgermeister oder führende politische Vertreter versprechen wir, die Gesundheit unserer Bürger, der Frauen, Kinder und Männer, zu verbessern und uns dabei von den Schlüsselprinzipien der Chancengleichheit, Nachhaltigkeit, sektorübergreifenden Zusammenarbeit und Solidarität leiten zu lassen.

1. Chancengleichheit

Die immensen gesundheitlichen Ungleichheiten unter Städten und innerhalb von Städten, zwischen den Geschlechtern und unter ethnischen Gruppierungen verletzen nicht nur die Menschenwürde, sondern gefährden auch die gesellschaftliche Stabilität und bremsen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Wir verpflichten uns politisch dazu, das gesundheitliche Gefälle zwischen und in unseren Städten abzubauen, Gesundheit allen zugänglicher zu machen und die Gesundheit gefährdeter Bevölkerungsgruppierung wesentlich zu verbessern.

2. Nachhaltigkeit

Dicht bevölkerte Städte und städtische Ballungsgebiete bieten einen lebendigen Rahmen für die Umsetzung wichtiger Konzepte, die umweltbezogene, wirtschaftliche, soziale und gesundheitliche Ziele miteinander verbinden. Wir unterstützen die prinzipien von Gesundheit und nachhaltiger Entwicklung durch unsere Verpflichtung auf die europäische politik Gesundheit für alle und auf die Charta der europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit (Charta von Aalborg). Diese konzeptionellen Rahmen stützen sich gegenseitig und vereinen die Ziele der Gesundheit für alle und einer nachhaltigen Entwicklung. Eine nachhaltige Entwicklung vereint politische Konzepte, die Bildungsmöglichkeiten bieten, den Aufbau von Verkehrs- und anderen Infrastruktureinrichtungen fördern, die Wirtschaft stützen, (für Frauen und Männer chancengleiche) Arbeitsmöglichkeiten schaffen, das Wohlbefinden verbessern und die Umwelt schützen. Wir wollen die Bevölkerungsvielfalt in unseren Städte und weltweit erhalten, indem wir durch umsichtige Entwicklungsmaßnahmen, die die Schwachen schützen, die Chancengleichheit der Geschlechter und Rassen fördern und die Lebensqualität aller unserer Bürger verbessern, eine ökologische Umweltpolitik umsetzen.

3. Sektorübergreifende Zusammenarbeit

Gesundheit läßt sich am wirksamsten fördern, wenn Organisationen vieler Sektoren zusammenarbeiten und voneinander lernen. Gesundheit geht alle an. Wir versprechen unsere politische Unterstützung zur Erschließung des gesundheitlichen potentials aller an der Zukunft unserer Städte Interessierten und wollen dabei die spezifischen Bedürfnisse von Männern, Frauen, Kindern und Minderheitengruppierungen berücksichtigen. Wir verpflichten uns auch, durch die systematische Beurteilung der gesundheitlichen Auswirkungen aller unserer politischen Konzepte den gesundheitlichen Mehrwert aller städtischen programme zu maximieren. Alle Teile der kommunalen Selbstverwaltung können eine wichtige Rolle übernehmen, wenn es darum geht, die Gesundheitsagenda und die Sache der nachhaltigen Entwicklung zu fördern.

4. Solidarität

Um Chancenungleichheit zu verringern, den Zusammenhalt von Europa zu stärken und Beziehungen zu anderen Teilen der Welt aufzubauen, bedarf es stärkerer gemeinsamer Anstrengungen. Gesundheit für alle ist eine weltweite Forderung. Wir sind entschlossen, unser Teil dazu beizutragen, um aus den Gesunden Städten eine weltweite, dem Weltfrieden dienende Bewegung zu machen. Wir verpflichten uns politisch auf die internationale Solidarität zwischen Städten und Regionen, auf gegenseitige Unterstützung und die gemeinsame Nutzung von Ressourcen, Wissen, Informationen und Erfahrungen.

Städte führen im Ringen um Gesundheit und nachhaltige Entwicklung an

Die dritte phase des WHO-projekts "Gesunde Städte" bietet die ausgezeichnete Möglichkeit, aus zehn Jahren Erfahrungen mit planung und Maßnahmen in Städten zu lernen. Wir verstehen inzwischen besser, wie Gesundheit in der städtischen Umwelt durch soziale und wirtschaftliche Bedingungen, aber auch durch Geschlecht, Alter und ethnische Zugehörigkeit bestimmt wird. Wir wissen, daß Gesundheit nie das Anliegen ausschließlich einer politischen partei oder Fachdisziplin sein sollte. Wir sind uns bewußt, daß Gesundheit zu einem unverzichtbaren Element der Kernwerte und der wichtigsten pläne für unsere Städte werden muß. Wir werden diese Erkenntnisse nutzen, um in unseren Städten Strategien für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung im einundzwanzigsten Jahrhundert umzusetzen.

Wir werden die Voraussetzungen für einen Wandel schaffen und verpflichten unsere Städte auf diese spezifischen Maßnahmen für die Gesundheit, indem wir eine Führungsrolle übernehmen und die Bürger zum selbstbestimmten Handeln befähigen, indem wir partnerschaften eingehen und eine Infrastruktur für den Wandel schaffen, indem wir gesundheitliche Bedürfnisse und eine nachhaltige Entwicklung in unserer planung umfassend berücksichtigen und vernetzt arbeiten. Wir versprechen, mit dafür zu sorgen, daß das Konzept der Gesundheit für alle aus den Städten in die ländlichen Gebiete, Ortschaften, provinzen und Regionen hineingetragen wird und auf anderen Ebenen der teilnationalen Selbstverwaltung Eingang findet.

1. Führungsrolle und Befähigung zum selbstbestimmten Handeln

Wir versprechen, Gesundheit und nachhaltige Entwicklung in unserer Vorstellung von der Entwicklung unserer Städte als grundlegende Werte zu verankern. Mit politischem Engagement und einer starken Führungsrolle wollen wir Strategien für Gesundheit für alle und eine städtische Agenda 21 vereinen und umsetzen und dabei dem Bedarf an Führungsmöglichkeiten für Frauen und Minderheiten besondere Aufmerksamkeit widmen. Wir wollen die Menschen für diese Aufgabe begeistern, Ressourcen erschließen, um die Ziele einer Gesunden Stadt zu erreichen, und die Bürger unserer Städte voll in diese Aufgabe einbeziehen.

2. Partnerschaften und Infrastruktur für den Wandel

Wir wollen strategische stadtweite Bündnisse für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung unterstützen, in die der öffentliche und private Sektor und die Wohlfahrtsverbände einbezogen werden. In diese Zusammenarbeit sollten auch andere Stellen, darunter auch Hochschulen, eingebunden werden. Wir wollen zweckgerechte stützende Strukturen schaffen, durch die die Arbeit für die Ziele des Gesunde-Städte-projekts koordiniert und unterstützt wird. Durch die Erhaltung einer bedarfsgerechten public Health-Infrastruktur auf örtlicher Ebene sollte der Zugang zu gesundheitswissenschaftlicher Sachkenntnis gesichert werden.

3. Umfassende Planung für Gesundheit und nachhaltige Entwicklung

Gestützt auf einschlägige Sachkenntnis, wollen wir Konzepte, Strategien und pläne für die gesundheitliche Entwicklung unserer Städte aufstellen, mit denen wir die Verbesserung der sozialen, umweltbedingten und wirtschaftlichen Determinanten von Gesundheit anstreben. Wir wollen uns Ziele und zeitliche Vorgaben für die Verbesserung von Gesundheit setzen und dabei anerkennen, daß alle Bereiche des städtischen Lebens und alle Akteure des Wandels ihren besonderen Beitrag zu dieser Arbeit leisten können. Wir wollen uns insbesondere mit folgenden problemkreisen befassen:

  • den gesundheitlichen Bedürfnissen von Kindern und jungen Menschen, Frauen, ethnischen Minoritäten und älteren Menschen,
  • den Zusammenhängen zwischen Armut und Gesundheit,
  • den Bedürfnissen gefährdeter Gruppen,
  • den Gefahren des Tabakmißbrauchs, mit Drogen- und Alkoholabhängigkeit, Verschmutzung und Gewalt und
  • sonstigen, mit Stadtplanung, ökologischem Management und sozialer Unterstützung verbundenen Anliegen.

1. Netze

Der Phase III des WHO-projekts "Gesunde Städte" gilt unser besonderes Engagement als Projektstadt oder einem nationalen Netzwerk angeschlossene Stadt. Auf örtlicher, nationaler, regionaler und internationaler Ebene wollen wir als aktive Mitglieder strategischer Bündnisse zur Förderung der "Gesundheit für alle" und einer nachhaltigen Entwicklung im einundzwanzigsten Jahrhundert beitragen. In Zusammenarbeit mit internationalen Organen wollen wir die Probleme unserer Städte angehen. Die aktive Unterstützung der Europäischen Kampagne Zukunftsbeständiger Städte und Kommunen wird in Zusammenarbeit mit anderen wichtigen Verbünden und Organisationen eine weitere Möglichkeit bieten, die Ziele des Gesunde-Städte-Projekts voranzutreiben und die Agenda der Gesundheit für alle und einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern.

2. Monitoring und Evaluation

Wir werden genauestens verfolgen, wie sich Maßnahmen, die als Ergebnis einer Übernahme des Gesunde-Städte-Gedankens ergriffen werden, auswirken, und wollen sicherstellen, daß Prozesse und Resultate an Gesundheitszielen gemessen werden. Das Gesunde-Städte-projekt spielte bei der Aufdeckung der Determinanten von Gesundheit eine große Rolle und hat auch eine wichtige Funktion, wenn es darum geht, wirksame Wege, gesundheitliche Ungleichheiten zu verringern und die Lebensqalität für alle zu verbessern, zu fördern und bekannt zu machen.

Auch andere müssen handeln

Städte können nicht auf sich allein gestellt handeln. In der Europäischen Region kommt den nationalen und regionalen Regierungen der Mitgliedstaaten eine Schlüsselrolle zu. Sie beeinflussen Tempo und Nachhaltigkeit von Modernisierung, Industrialisierung und Gestaltung der städtischen Entwicklung. Sie stellen auch den gesetzlichen und fiskalischen Rahmen, in dem wir für Gesundheit arbeiten können.

Deshalb fordern wir die Nationalregierungen der Europäischen Region auf:

  1. die Bedeutung der städtischen Dimension landesweiter Gesundheitspolitik zu erkennen und anzuerkennen, daß Städte einen wesentlichen Beitrag zu nationalen Strategien für "Gesundheit für alle" und zur Agenda 21 leisten können;
  2. bei der mit sektorübergreifenden Konzepten arbeitenden Analyse von gesundheitlichen Verhältnissen in Städten und ihrer Reaktion darauf in ihren nationalen Gesundheitsstrategien die Erfahrungen und Erkenntnisse der Städte zu nutzen;
  3. zu untersuchen, wie man zur Unterstützung der Gesundheit für alle und von nachhaltigen Entwicklungskonzepten zusätzliche Ressourcen verfügbar machen könnte;
  4. nationale Netze gesunder Städte in ihrer koordinierenden und kompetenzbildenden Rolle zu unterstützen und
  5. die Aufnahme von Vertretern kommunaler Selbstverwaltungen in die Delegationen zu fördern, die die Mitgliedstaaten zu Tagungen der leitenden Organe der WHO und anderer einschlägiger internationaler Fora entsenden.

 

Wir begrüßen die Schaffung des europäischen WHO-Zentrums für Gesundheit in Städten und erwarten vom WHO-Regionalbüro für Europa:

  1. daß es bei der Arbeit für die Ziele der phase III (1998-2002) des WHO-Projekts "Gesunde Städte" eine Führungsrolle übernimmt und strategische Unterstützung leistet;
  2. daß es in allen Mitgliedstaaten der Region, vor allem in denen, die bisher an der Bewegung noch nicht beteiligt waren, darunter in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und in den Mitgliedstaaten der Balkanregion, die Kompetenzbildung und die vernetzte Arbeit für gesunde Städte fördert;
  3. daß es fachliche Unterstützung und Anleitung für eine besser integrierte Planung, Evaluation und begleitende Überwachung der Gesundheit in Städten bietet;
  4. daß es in allen Arbeitsbereichen der WHO die Entwicklung von örtlichen Handlungselementen fördert und stützt und
  5. daß es das Zusammenwirken von Sektoren und Settings fördert und dabei das Können und die Erfahrungen der kommunalen Selbstverwaltungen und der Nationalregierungen miteinander in Einklang bringt.

 

Wir sind überzeugt, daß die vereinten Bemühungen kommunaler und regionaler Selbstverwaltungen, von Nationalregierungen und WHO Veränderungen bewirken werden, die große Bedeutung für Gesundheit und Wohlbefinden unserer Bürger haben.

STATEMENT DES WHO-REGIONALDIREKTORS FÜR EUROPA

Die vorliegende Erklärung bezeichnet einen wichtigen Schritt zur Stärkung des Engagements für die Umsetzung der Strategie Gesundheit für alle im einundzwanzigsten Jahrhundert auf kommunaler und städtischer Ebene in der gesamten Europäischen Region und unterstreicht zugleich die globale Reichweite der Gesunde-Städte-Bewegung.

Hiermit verspreche ich die volle Unterstützung des WHO-Regionalbüros für Europa bei der mit projektstädten und Netzen gesunder Städte zu leistenden Arbeit für die Verwirklichung der Ziele der dritten Phase des WHO-Projekts "Gesunde Städte". Ich verpflichte mich auch, diese Erklärung allen Teilen der Europäischen Regionalen Organisation der WHO vorzulegen und sie der Generaldirektorin zu unterbreiten.

Quelle: WHO Webseite

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Neuer Kurs zur Kommunalen Gesundheitsförderung startet am 16./17. Januar 2015