Vision gesundheitsfördernder Stadtteil - Eine Einführung und ein Bericht aus der Zukunft.

 

"Gesundheitsförderung zielt auf einen Prozess, allen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu befähigen" heißt es in der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Diese Begriffsbestimmung ist Ausdruck einer optimistischen Grundhaltung hinsichtlich der Möglichkeit, den eigenen Lebensverlauf in seinen wesentlichen Einflussfaktoren zu erkennen, zu verstehen und so zu beeinflussen, dass körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden entstehen kann.

Gegen diesen Optimismus lassen sich viele entmutigende Einwände formulieren, wie z.B.:

  • "Selbstbestimmung ist doch eine Illusion in einer fremdbestimmten Umwelt"
  • "Sterben werden wir doch sowieso, was soll ich mir da noch Stress wegen meiner Gesundheit machen"
  • "Wer weiß schon, was morgen angesagt ist, vielleicht ist da alles anders"

Deutlich wird dabei, dass menschliches Leben auf Hoffnung angewiesen ist, denn menschliche Gesundheit, die auch psychisches und soziales Wohlbefinden einschließt, entsteht im Lebensprozess nur und nur solange, wie sie von den Inpiduen auch gewollt und realisiert wird.

Die Tatsache, dass sich gegenwärtig in Deutschland mehr als 11.000 Menschen pro Jahr aktiv das Leben nehmen und Millionen durch ihr Suchtverhalten eine schleichende Verelendung hinnehmen, zeigt, wie labil die Lebenshoffnungen in unserer Gesellschaft geworden sind.

Die Unterstützung sinnhafter, nachhaltiger Lebensperspektiven ist daher zu einer zentralen Herausforderung für eine gesundheitsfördernde Lebenskultur geworden.

Da der Alltag vieler Menschen in hohem Maße durch gesellschaftlich vermittelte Routinen, Normen und Rituale sowie ökonomische und ökologische Rahmenbedingungen bestimmt wird, die durch inpiduelle Entscheidungen allein kaum zu beeinflussen sind, kommt der sozialen Verständigung über eine menschengemäße Gestaltung des alltäglichen Lebensräume große Bedeutung zu.

Neben dem geographischen Lebensraum (Dorf, Stadt, Stadtviertel) haben dabei die Organisationen des Arbeitsalltags (Betriebe, Verwaltungen, Dienstleistungseinrichtungen) und die Qualität des Wohnumfeldes eine große Bedeutung.

Als Zielperspektive ergibt sich daraus die Entwicklung einer gesundheitsfördernden Lebenskultur, die in sozialer und ökologischer Hinsicht die nachhaltigen Lebensinteressen der Menschen in ihrem unmittelbaren Lebenszusammenhang stützt und das Bemühen um eine gesündere Lebensweise auch im öffentlichen Handeln zur leichteren Entscheidung macht.

Gesund sein wollen alle Menschen. Dieses Motiv ist unabhängig von spezifischen Glaubensvorstellungen und politischen Überzeugungen. Alle wollen unnötiges Leiden und einen vorzeitigen Tod vermeiden. Dieses Bemühen verbindet die Menschen quer durch alle Kulturen und alle sozialen Schichten. Daher kann das Gesundheitsmotiv eine gemeinsame Orientierung für die Gestaltung menschlicher Lebenszusammenhänge vermitteln.

Kompetenzentwicklung im Bereich der Gesundheitsförderung und der Krankheitsbewältigung bilden eine der sinnvollsten kulturellen Investitionen überhaupt, denn sie können gegebenenfalls unnötige Leiden und Kosten vermeiden und Menschen darin stärken, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Von zentraler Bedeutung sind "Orte der Gesundheitsförderung", denn "Gesundheit braucht Gelegenheiten". Diese können im öffentlichen Bereich in selbstverwalteten Gesundheitshäusern, Gesunde-Städte-Büros oder Bürgerzentren entstehen, von Volkshochschulen, Wohlfahrtsverbänden oder freien Verbänden getragen sein, aber auch in öffentlichen Einrichtungen, Betrieben oder Nachbarschaftseinrichtungen gestaltet werden. Hier kann sich eine vielfältige Praxis gesundheitsfördernder Alltagskultur entwickeln, die auch Anregungen für den privaten Bereich vermittelt, denn der ursprüngliche Ort der Gesundheitsförderung ist die Wohnung und der eigene Haushalt, in denen Menschen ihren Alltag selbst organisieren.

Ausgangspunkt ist dabei das Konzept der "Salutogenese", (Salus (lat.) = Gesundheit, Genese (griech.) = Entstehung) , das heißt die Suche nach fördernden Rahmenbedingungen für ein gelingendes Leben in Selbstbestimmung.

Besondere Aufmerksamkeit finden dabei die Räume und Beziehungen des Alltagslebens, die "Settings", in denen Menschen sich überwiegend aufhalten und in denen sie die in sozialer, psychischer, körperlicher, ästhetischer, geistiger und ökologischer Hinsicht prägende und ihre Gesundheit bestimmende Lebensmuster entwickeln. Das eigene Zimmer, die Wohnung, die Nachbarschaft, die Straße, der Stadtteil werden so zu prägenden Merkmalen des eigenen Lebens.

Die Stärkung gesundheitsfördernder Lebensbedingungen richtet sich entsprechend auf familiäre, wohnliche, nachbarschaftliche, betriebliche und lokale Lebenszusammenhänge und ist vor allem dort um einen Ausgleich ungleicher Lebenschancen bemüht, wo eklatante Defizite die selbstbestimmte Sorge für ein gelingendes Leben beeinträchtigen.

Dies ist gegenwärtig vor allem in den Stadtteilen und Stadtgebieten notwendig, in denen anhaltende Massenarbeitslosigkeit und eine Konzentration sozialer Problemlagen die BewohnerInnen in eine resignative Hoffnungslosigkeit zu treiben droht. In der tiefgreifenden wirtschaftlichen Krise der Industriegesellschaften sind viele Menschen von sozialen und materiellen Veränderungen betroffen, die sie als bedrohliche Verschlechterung ihres Lebensstandards und als kränkend erleben.

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Neuer Kurs zur Kommunalen Gesundheitsförderung startet am 16./17. Januar 2015